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EMBRYO "Turn-Peace"
WEB
Happy Twenties, EMBRYO !
von
Joachim Ernst Behrendt

Als "embryo" sich 1968/9 seinen Namen gab, war Weltmusik noch ein Embryo. Inzwischen sind beide "Embryo" und die Weltmusikdas geworden, was Embryoś normalerweise noch nicht sind: fruchtbar.Aus "Weltmusik" wurde wirklich eine Musik der ganzen Welt. Und durch die Gruppe "Embryo" sind mehr als 300 Musiker -sogar "Dissidenten" gegangen, jeder bleibend von beiden - von "Embryo" und von Weltmusik - geprägt.

Gruppen bestehen im allgemeinen nur wenige Jahre. Zwanzig Jahre im Leben einer Gruppe ist sehr viel mehr als zwanzig Jahre im Leben eines Menschen. Zwanzig Jahre "Embryo" -das ist wie ein Berg, von dem aus man in viele verschiedene Landschaften schaut: den Protest der 60ger - die harte Arbeit der 70ger - die Freiheit der 80ger - und nun vielleicht auch noch die Weisheit der 90ger. Und natürlich schaut man vom Berg "Embryo" auch in viele verschiedene Länder, nach Arabisch und Schwarzafrika, in den nahen Osten, in die USA, in den Osten Europas, nach Indien, in die ganze Welt.

All das wird hörbar auf der Platte, die "Embryo aus Anlaß seines 20-jährigen Bestehens vorlegt. Peter Michael Hamel, Roberto Detrée und Christian Burchard sind so weit von einander entfernt, daß sich kaum noch jemand erinnert. Sie sind 1967 im Münchner "Song Parnass" gemeinsam aufgebrochen-jeder in seine Richtung: Christian zur Gründung von "Embryo", der Argentiner Roberto zu seiner eigenen Idee von lateinamerikanischer Musik und Peter zu "Kassandra", "Organum" und zu Kompositionen, die die etablierte Avantgarde von Donaueschingen und Darmstadt (dort sind avantgardistisch und Establischment ja kein Widerspruch) in weiterhin spürbare Verlegenheit versetzten. Es ist aufschlußreich und bewegend zu hören, wieviel die drei sich auch heute noch, als sie aus Anlass von "Embryoś" Zwanzigstem wieder zusammenkamen, zu sagen haben.
Damals - 1967/68 - war Christian Burchard der Vibraphonist Mal Waldrons, des Pianisten, der noch mit Billie Holiday und John Coltrane gespielt hat und den nun wenigstens die Japaner als den großen Musiker erkannt haben, der er ist. Wie gut die Allianz Mal.Christian immer noch funktioniert, kann man auf der Platte hören.
Schade, daß nicht auch der andere große amerikanische Musiker, der mit der sie ohne dies spielen zu könnenEmbryo-Evolution verbunden ist, auf dieser Platte verttreten ist: Charlie Mariano. Ideell ist er dennoch dabei: Wenn Roland Schäffer auf der Nagasuram -einem oboenartigen Instrument, das Mariano jahrelang in Südindien gelernt und so oft bei Embryo gespielt hat-in "Velly Velly Good einsteigt, meint man für ein paar Takte lang, Mariano zu hören, bis man bemerkt, daß Roland es auf seine eigene Weise, und sicher auch eigenständiger und technisch souveräner spielt.

Auch die drei wohl wichtigsten Länder sind auf dieser Platte vertreten: Marokko durch El Houssaine Kilii, Nigeria durch das Yoruba Dun Dun Orchestra von Lamidi Ayankunle und Indien durch T.A.S. Mani und dem College of Percussion.

Das Gimbri des Berbers Houssaine ist eine Art "Ur-Bass", dessen Spielweise ursprünglich aus Gambia stammt und niemand geringeren als Jimi Hendrix beeinflusst hat. Die DunDun heißt das "Klavier der Yoruba", und so spielt sie Lamidi: als sei sie nicht eine Trommel, sondern ein Tasteninstrument mit einem Tonbereich von mehr als einer Oktave, Erin heißt das Dorf, aus dem die drei Nigerianer stammen, deshalb "Erin in Konstanz", denn dort wurde die Aufnahme gemacht.

Und das Karnataka College aus Bangalore mit seinen "layers of rhythm", seinen so ungeheuer raffiniert und trotzdem so völlig locker ineinander gefalteten,rhythmischen Schichten und Linien, ist einfach eine der perfektesten Perkussionsgruppen und -Schulen der Welt- wie jeder in "Ramaś Seven" leicht heraushören kann- Wenn wir die Kali .die große indische Göttin, die Mutter und Feuer, Tod und Leben zugleich ist- hören könnten, ich stelle mir vor, sie würde singen wie Rama Mani, Und auch das sollte man einmal sagen: Wenn Christian Burchard und seine Embryo Musiker uns nur der Karnataka Musik bewußt gemacht hätten, schon dafür müßte man ihnen dankbar sein, aber sie haben das ja mit Musikern aus der ganzen Welt getan.

Ich glaube, es gibt auch in den USA keine Gruppe, die Weltmusik so sehr lebt wie Embryo. Nur dann kann man sie spielen; Wenn man sie lebt. Mit den Musikern. In ihren
Ländern und in ihren Kulturen. Wer meint,sie ohne dies spielen zu können, landet früher oder später bei jener Retortenmusik, zu der die Weltmusik Welle leider oft geführt hat. Deshalb wünsche ich Embryo auch keine weiteren zwanzig Jahre. Aber ein "EMBRYO der Neunziger" -das wünsche ich mir und all den vielen Freunden dieser Gruppe in der ganzen Welt - und vor allem; ich wünsche es Embryo.